Peter Hollo ist ein dezidierter Kenner der Spielwarenbranche, so viel steht fest. Mit seinem Unternehmen Ph – International Consultants berät er die ganz Großen der Branche, sowohl national als auch international. Dabei gilt er als Vordenker, Strippenzieher und als jemand, der sich nicht scheut die Dinge beim Namen zu nennen. Neben seiner Unternehmensberatung ist er auch der Herausgeber des TOYS & GAMES Report und für die DACH-Region verantwortlich für den weltweit bedeutendsten Industrieverband für das internationale Licensing, Licensing International. Wir haben ihn zu drei Themen befragt:

1) Peter, welches sind aus deiner Sicht aktuell die Top 3 Spielwarentrends?

Trend 1: Nachhaltiges Spielzeug

Inzwischen dürfte es jede*r verinnerlicht haben: Es kann nicht so weitergehen wie bisher. Deswegen ist Nachhaltigkeit ganz sicher weit mehr als „nur“ ein Trend. Nachhaltigkeit ist ein Muss. Auch wenn ich dafür viele Sympathien habe, geht es dabei nicht nur darum, Plastik aus dem Meer zu fischen und daraus neue Produkte zu machen, die am Schluss dann doch wieder auf dem Müll landen, weil das Extrahieren der einzelnen Rohstoffe vielleicht sehr teuer und/oder ebenfalls sehr umweltschädlich ist. Es geht darum, in der Spielware eine echte „Circular Economy“ zu installieren, die bereits beim Produktdesign beginnt, dabei die geeigneten Rohstoffe verwendet und auf die spätere einfache Fragmentierung des Produkts und dessen Bestandteile und deren Wiederverwertbarkeit achtet.

Technisch ist das alles möglich, wird aber dazu führen, dass bestimmte Produkte verschwinden (müssen) oder (sehr viel) teurer werden. Ob das die Konsument*innen dann akzeptieren (können), das steht auf einem anderen Blatt. Denn zum einem wird die Anzahl der Verbraucher*innen zunehmen, die sehr genau rechnen müssen – durch Inflation, neue Gesetze, Vorschriften und Regularien und zum anderen gilt halt immer noch die alte Handelsweisheit „am Regal, da endet die Moral“. Dabei ist es ganz egal, welche sozial erwünschten Antworten man in Umfragen hat verlauten lassen, wenn´s ums eigene Geld geht, dann zählt beim Endkonsumenten immer noch der Preis.

Trend 2: Lizensiertes Spielzeug

Schon heute ist die Spielwarenbranche ohne Lizenzprodukte weder denk- noch rechenbar. Hier werden die großen Umsätze und Erträge gemacht. Und zwar bei Industrie und Handel. Dieser Trend wird sehr langfristig anhalten.

Spannend zu sehen wird sein, woher denn die neuen Lizenzthemen kommen und über welche Kanäle. Und es wird spannend zu sehen sein, wie sich der Streik der Autoren und der Schauspieler in Hollywood hier auswirken wird. Noch ist einiges in der Pipeline, aber jetzt schon werden Projekte verschoben oder gecancelt. Was passiert mittelfristig, wenn wir keinen Nachschub mehr an Hollywood-Blockbustern und deren Zweit- und Drittvermarktungen, Spin-Offs, Sequels und Prequels bekommen? Denn bisher gilt allen Unkenrufen zum Trotz: totgeglaubte leben länger. Das Spice muss fließen! Ohne eine Wertschöpfungskette, die bereits in Kalifornien beginnt, wird die Auswahl in unseren Regalen bedenklich dünn werden. Das kann weder lineares Fernsehen und schon gar nicht On-Demand-Fernsehen und Streaming (welches weitgehend eine Zweitvermarktung von Kino-Inhalten ist) nachhaltig ändern. Und selbst Hoffnungsträger wie das Gaming performen in diesem Bereich zwar sehr gut, aber nicht gut genug.

Trend 3: Jungs- und Mädchenspielzeug

Er hat doch nicht?! Hat er?! Ja, er hat das böse J-Wort und das böse M-Wort gesagt. Spätestens nach dem wahrhaft gigantischen Erfolg des ersten Barbie Live-Action-Films darf man gesichert sagen, die Welt darf pink sein! Denn mehr pink und mehr girly als Barbie, das geht einfach nicht! Dabei wird uns wieder einmal eines sehr eindrucksvoll vor Augen geführt, es entscheidet immer noch die Masse der Konsument*innen und nicht eine laut fordernde selbsternannte Moral-Elite. Schluss mit dem freudlosen gender-neutral Puritanismus! Der im übrigen außerhalb der Nische nicht nennenswert funktioniert.

Es darf wieder Jungskram und Mädchenkram geben. Und Jungs dürfen mit Mädchenkram spielen und Mädchen mit Jungskram. Und wer sich ganz anders identifiziert ebenfalls! Das geht ganz natürlich und Abseits jeglicher Ideologie, außerhalb jeder toxischen Männlichkeit und längst überholten weiblichen Rollenbildern. Starke Kids brauchen keine noch so gut gemeinten ideologischen Leitplanken. Sie brauchen die Freiheit, sich mit dem zu beschäftigen, was sie individuell triggert. Und das weiß die Marktforschung schon lange, Jungen und Mädchen werden in der Masse (und von der lebt unser gesamtes System) von ganz unterschiedlichen Inhalten und ganz unterschiedlichen Spielprinzipien, Farbstellungen und ähnlichem angesprochen. Lasst uns diese Freiheit leben! Denk- und Redeverbote müssen weg. Und das geht ganz gut, auch ohne Diskriminierung.

2) Wie entstehen eigentlich Trends?

Es gibt zwei Arten von Trends. Den mit sehr viel Geld, sehr viel Marktforschung, sehr viel Vorbereitung und sehr viel Werbepower initiierten Trend: der kommt von den Unternehmen. Und der funktioniert mal oder er funktioniert auch mal nicht. So einfach sind dann die Konsument*innen doch nicht auszurechnen. Denn zu langfristigen Einstellungen und Überzeugungen, zum Zeitgeist oder zu den geltenden Dos and Dont´s gesellen sich immer noch kurzfristige, nicht vorhersehbare Ereignisse und Mikro-Trends, die oft riesige Auswirkungen auf die Entstehung eines echten großflächigen Trends haben.

Und es gibt den spontanen Trend, den Trend aus der Mehrheit der Menschen heraus, wo man sich plötzlich mehrheitlich entschließt bestimmte Gummibänder toll zu finden oder irgendwelche Dinger, die man zwischen den Fingern kreisen lassen kann. Das ist der vielleicht demokratischste Trend. Unvorhersehbar, plötzlich da, für First-Mover ungeheuer lukrativ und bei der ersten Nachbestellung in Asien schon wieder der Ruin.

3) Welches ist dein persönlicher Lieblingstrend der letzten 10 Jahre?

Mein Lieblingstrend ist tatsächlich die Nachhaltigkeit. Dass ganz viele in der Branche begriffen haben, dass wir, wenn die Kinderaugen aufgehört haben zu leuchten, kalkulierten Müll produzieren. Und dass wir hier signifikant etwas tun müssen. Die Zeiten des Greenwashings als bloßes Marketingargument sind bei den meisten Playern Geschichte. Und das ist gut so.